OVG NRW: Keine Anrechnung des Mittagessens auf Grundsicherungsleistungen

Nach dem des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 28.09.2006 (Az. L 23 SO 1094/05) entschieden hat, wie und in welcher Höhe das kostenlose Mittagessen für Erwerbstätige bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) von der Grundsicherung abzuziehen ist, hat am 29.11.2006 das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einer ähnlichen Sache entschieden. Das OVG für das Land NRW hat entschieden, dass Sozialämter von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz keine Beträge für das in der Werkstatt für behinderte Menschen kostenfrei angebotene Mittagessen abziehen dürfen.

Der Kläger, der wegen einer schweren Behinderung voll erwerbsgemindert ist, arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Dort nimmt er regelmäßig ein Mittagessen ein, für das er kein Kostenbeitrag zahlen muss. In den Jahren 2003 und 2004 erhielt er Leistungen nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden Grundsicherungsgesetz. Das Sozialamt der Stadt Lünen zog von diesen Leistungen monatlich 45 € für das Mittagessen ab. Auch der Kreis Unna hielt diese Anrechnung im Widerspruchsverfahren für rechtens. Hiergegen wandte sich der Kläger. Seine Klage hatte im erstinstanzlichen Verfahren vor dem VG Gelsenkirchen keinen Erfolg.

Der Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr stattgegeben.

Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts führt das dem Kläger in der Werkstatt für behinderte Menschen kostenfrei angebotene Mittagessen nicht zu einer Minderung des monatlichen Bedarfs, der durch die Leistungen des Grundsicherungsgesetzes abgedeckt werden solle. Eine individuelle Ermittlung des jeweiligen Bedarfs sei weder mit dem Wortlaut noch mit dem Zweck des Grundsicherungsgesetzes, das lediglich pauschalierte Leistungen vorsehe, vereinbar.

Es sei auch nicht zulässig, das Mittagessen als Einkommen anzurechnen. Denn das Mittagessen werde im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen angeboten und sei damit eine Sozialleistung nach dem Bundessozialhilfegesetz, die nicht zum Einkommen zähle. Das Gesetz schreibe vor, unter welchen – vor allem wirtschaftlichen – Voraussetzungen der Landschaftsverband als überörtlicher Träger der Sozialhilfe einen Kostenbeitrag für das Mittagessen in Werkstätten für behinderte Menschen verlangen könne. Wenn diese Voraussetzungen – wie hier – nicht vorlägen, solle ein behinderter Mensch nicht auf dem Weg der Kürzung der ihm zustehenden Grundsicherungsleistungen schließlich doch die Kosten hierfür tragen müssen.

OVG für das Land NRW, Urt. v. 29.11.2006 - 21 A 1565/05

Pressemitteilung des OVG für das Land NRW vom 11. Dezember 2006